Lyrik

Eigenes und Übersetztes

 

hi, kuh!

nun käust du wieder

mit augen voller fragen

wer gibt dir antwort

 

leben - ein rezept

die polster

zu nachgiebig

die fauteuils

durchgesessen

der flor

abgetragen

warum nicht

mal neu

möblieren

 

glückwunsch

alles gute

laust egel

laus legte

laut segel

sau gellte

salut, esel!

 

zu bedenken

muss ich wie die auster

in der schale liegen

wo mir von aussen

nur das dumpfe grollen

der gezeiten ans ohr schlägt

die mich ohne mein wissen

oder gar wider willen

an neue orte stossen

in neue gräber

oder soll ich jetzt

ein körnchen sand einlassen

spüren wie es mich verletzt

und den schmerz härten

zur perle

        Lee Tzu Pheng 

 

Chumm sitz näbe mi

han i zue mer gseit

und de han i mer

o we das itz chly komisch tönt

as chlys zeiche vo vertroue

d hand  drückt

und zäme bin i dert

uf dere muur gsässe

     Michael Leunig

 

itz isch scho der mond vergange und o d pleiade.

s isch mitts ir nacht, was söll i wyter warte

de schlaf i halt alei

    Sappho

 

mezzogiorno alpino

im grossen rund der berge

über dem öden und kahlen granit

und gleissenden gletschern

herrscht gelassen, mächtig und grenzenlos

mit seinem mächtigem schweigen der mittag

kein hauch rührt arven und föhren

die sich zur stechenden sonne recken

nur ein wässerchen gluckst 

mit feinen zithertönen sanft durch die kiesel

        Giosuè Carducci

 

grammatik 

dass der himmel hoch sei 

füchse schlau
fische stumm 

und steine tot

glaubs nicht, denk. 

was reden wir
wenn der himmel sich zersetzt 

und die nacht uns anfällt 

wenn forellen klagen
und die füchse 

mit ihrer weisheit
am ende sind? 

zum steinerweichen 

o röslein rot 

 

boldern

schwere des himmels gelb und feucht 

sickert herab von den zweigen
steigt aus dem schlafenden see 

fliesst durch die felder. 

ein flackern auf den hügeln 

ein grollen wo der heisse tag 

die erde verlässt

und der nacht weicht

ein windstoss

grosse tropfen 

schlagen vor unsere füsse
der schatten einer katze 

zögert im wegkreuz

ein blatt fällt 

im sommer

am andern morgen
das radiojournal

unwetter im kanton schwyz 

drei autos kaputt
eine frau
durch die feuerwehr
vom dach gerettet 

und danach

bürgerkrieg in nicaragua

 

fallout 

anders
fallen die blätter 

schwerer 

grauer 

belastet 

von den ausfällungen 

des himmels.

mit jedem
verfällt die zeit 

der herbste
da jedes jahr neu 

die natur 

zum sterben sich erhob 

 

notizen im mai 

1

zeit haben
in der sonne 

sitzen
den wind im haar 

auch das gespräch 

fliessen lassen 

2

nicht zu bluten
wenn du
dich losreissen musst? 

kannst du's?
willst du's?
kannst du leben 

ohne es zu können? 

und lebst du noch 

wenn du es kannst? 

vitale kraft

jedes jahr 

sterben können
und zartgrün
wieder hervorbrechen 

schwach und verletzlich

 

--

zu einigen aquarellen

 

anleitung 

lass den mohn
hinter dir
und das katzenpfötchen 

dann verstummen
die farben
und du
wirst
wach 

 

hinterhalt

im blauen schatten 

zurischen suppentopf 

und milchkanne 

überfällt dich 

die wirklichkeit 

 

selber schuld

geh vorüber

schau nicht hin 

werde klein
und zu stein 

bei den füssen 

fängt es an 

 

alba 

lass uns scheiden 

du nach wabern 

ich nach köniz 

eh das rot 

von den alpen fliesst 

 

respice finem

auch unter dem boden 

in reih und glied 

nein danke
trotz zuckerbäckerfarben 

 

kosmogonie 

aus milchigen tönen 

(winsor & newton ) 

aus einem grossen kürbis 

(im spätherbst 

auf einem marktstand
am bärenplatz )
aus dem grün der jurahöhen 
aus den samtenen augen der stiefmütterchen 

(der stadtgärtnerei ) 

aus nebeldunst
aus smog
aus schatten, die vom nichts geworfen werden...

was weiss ich?

 

seufzer 

wer trinkt
aus den bechern

wenn sie
in den himmel 

wachsen 

 

subkultur 

nachts
wenn alle
katzen schwarz sind 

schleichen wir
aus den farbtöpfchen 

und tanzen
unsern glühenden

tango

--

 

Covid

küsschen sind out

der händedruck auch

jetzt gilt

gröberes

man boxt

fusselt

ellbögelt

wer weiss

ob mein gegenüber

auch lächelt

hinter der maske

 

es liedli für d Kassandra

du stolzes schätzli, gö mer doch ga luege

ob das rösli, wo hütt morge no sys purpurchleidli 

ar sunne gspienzlet het

ob s jitz wo s chuelet nid verrümpflet isch

mitsamt sym fyne hütli wo dym glycht

 

du gsehsch doch wie s handchehrum sy charme

und d schönheit lat la falle. O natur

was bisch du für ne rabemueter,

ei tag grad gisch däm wunderblüemli zyt

wenn d sunne undergeit isch s um ihns gscheh

 

drum gloub mer s doch du sprödi frou und gniess

dy jugend jitz wo d no im saft u früsch bisch

gly chunnt s alter u das lat 

grad wie bim däm rösli

o dyni reize schrumpfe

        Pierre Ronsard

 

Colchiques

im herbst sy d matte schön

aber giftig. Druf weide d chüe

u frässe sech langsam z tod

 

d herbstzytlose hei d farb 

vom ougeschatte u vom flieder

o dyni ouge sy violettelig 

wie die blueme und wie dä herbst

u mys läbe vergiftet sech

langsam dra

 

vor schuel chöme d chinder

i ihrne pellerine. Si lärmen

u spiele uf ere muugyge

si rupfe d  herbstzytlose,

wo wie ihry müetere sy

und töchter vo ihrne töchter

si hei d farb von dyne ougelider 

wo chlappere, so wie di blueme

i däm chranke wind 

hin und här schlö

 

lysli singt der hirt. Derzue

möögge d chüe und schlarpe

langsam und für immer

ab dere weid

wo der herbst so bös 

mit blüemli tüpflet het

        Guillaume Apollinaire

 

gsprägeleti schönheit

danket gott für alls, wo tüpflet isch,

für dä himmel, zwöifarbig wie ne tschäggeti chue

für d fläckli, wo de forälle farbig übere rügge louffe

für früsch ufplatzti chegele, fürs glüejen im schwarz vo de chole

für d fäckli vo de finke, für ds land, wo i fläcke und flicke 

da lyt: rümpflig hie, da brach 

und dert mit fure zeichnet.

 

u für die tuusig sache, wo d mönsche so mache

mit ihrem wärchzüg, ihrem grät und gschirr,

 

für alls, wo schreg isch, eigelig, sälte, frömd

flatterhaft, loubfläckig (wie o immer)

tigeret, tüpflet, tifig, träg,

süess, suur, glänzig, milchig:

är lat das alls la wärde 

u syni schönheit blybt über allem glych.

 

lobet ne!

        Gerard Manley Hopkins

 

es gibt den augenblick, wo die welt

im tiefschlaf liegt, wo ihr der atem 

stockt, wo nichts sich regt

wo die grossen wellen sich legen und der passat 

in sich zusammenfällt:

die grosse pause, wo alles ruht

wie in der dämmerung bevor 

die erde geboren wurde

 

es ist die zeit, wo das leben seine quellen neu fasst

wo die lider der sonne zu zwinkern beginnen

und der wilde tanz der flüsse sich

dem puls des safts in den wurzeln 

und den gedankenverlorenen blättern überlässt

 

Die alten kennen diesen augenblick

wo die sanddünen, mangroven, fels und lehm

ein friedenslicht umhüllt,

das nicht blendet und nicht sticht

weil die sonne bloss ein kosmisches aufflackern von blumen ist

und der morgenröte, die sich naht, den weg zeigt

 

Die alten kennen den festtag der götter

wo der sog des meeres verschwindet

im weissen aufblitzen von rückenflossen

wo eine brücke aus nebel

himmel und erde verbindet und die farben der erde

sich mischen auf mystischer palette 

auf die die götter, sich zurückziehend

ihre pinsel legen.

 

uns sterbliche berührt diese zeit

wenn die musik aufspielt und im kunstvollen spiel

zu zitterndem leben erweckt wird -

doch allzufrüh auch oft erstickt

wenn wohlklang die sinne benebelt, 

feuer und flut herbeizaubert

angst und ekstatische flucht

 

denn nur wenn die dissonanten stimmen

der grossen pause raum geben,

die mit schützender hand die welt beruhigt

und – wie ein samenkorn, das schlummert und

bis es zur blüte ausbricht alles offen lässt -

nur wenn die erinnerung an widerspenstige einzelne

vor der ruhestatt der ewigkeit verblasst

 

nur dann, in der grossen pause 

reift die kolanuss des friedens

wenn die alten sich zur kosmischen musik sammeln

wenn kora, flöte, geige und mbira

xylofon und balafon sich im gleichklang treffen

in den hinein die welt zu sich erwacht

        Wole Soyinka
 

 

 

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