
So fasst Alfred North Whitehead ("Prozess und Wirklichkeit", ed. Suhrkamp, S. 613) charmant und augenzwinkernd seine radikale Kritik am Gottesbegriff der klassischen Philosophie und Theologie zusammen.
John B. Cobb und David R Griffin (Process Theology, 1976) zählen etwas prosaischer auf, was somit abzulehnen ist:
- Gott als kosmischer Moralist, Gesetzgeber und Richter
- Gott als das unwandelbare und leidenschaftslose Absolute (der "unbewegte Beweger")
- Gott als beherrschende Kontrollmacht
- Gott als Aufrechterhalter des status quo
- Gott als Archetyp des dominierenden Mannes
Allen diesen ist gemeinsam die Fixierung auf Macht. - Ich erinnere mich an die Besprechung von Dürrenmatts "Durcheinandertal" (1989) und das damalige Fazit unserer Lesegruppe: Wenn Gott machtförmig gedacht wird, dann ist das beste Bild für ihn der Mafiaboss.
Was aber darf bleiben? "Gott" als Inbegriff unendlicher Bezogenheit und Kreativität - in diesem Sinn eben: "Liebe".
Etwas simpel? Nach 613 Seiten schwieriger Lektüre vielleicht doch nicht. 21.11.25
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Die Künstlerin Yee I-Lann hat eine besondere Herkunft, in der sich ein langes Kapitel Kolonialgeschichte spiegelt. Geboren ist sie in Kota Kinabalu, im Nordwesten der Insel Borneo. Heute gehört dieses Gebiet (Sabah) zu Malaysia, früher war es Teil des Sultanats Sulu, später gehörte es einer niederländischen Handelsgesellchaft, dann war es Besitz der British North Borneo Chartered Company und wurde Britisches Protektorat, bevor es ganz zur Britischen Krone kam. Zu Yee I-Lanns Stammbaum gehören Engländer, indigene Murut aus Borneo und Chinesen.
Ihre Werke (Fotos, Installationen) nehmen engagiert Bezug auf diese Zusammenhänge. Oft sind es Installationen, die aus geflochtenen Objekten bestehen. Sie werden von Frauengruppen verschiedener örtlicher Völker hergestellt. Ins Auge fallen besonders Matten in bunten Farben. Die meisten davon zeigen stilisierte Tische. Für die Künstlerin sind sie Symbole kolonialer und männlicher Herrschaft. Tische kamen tatsächlich mit den Kolonialherren nach Malaya und Borneo. Das malayische "meja"/Tisch ist denn auch ein Lehnwort aus dem Portugiesischen. Den Tischen gegenüber stehen (oder "liegen" vielmehr) die Matten mit ihren von Dorf zu Dorf verschiedenen, kunstvollen Flechtmustern. Man sitzt und schläft auf ihnen, versammelt sich, diskutiert. Man wird auf einer Matte geboren und zuletzt in eine Matte eingewickelt und bestattet. Matten sind für Yee Symbole einer alternativen, sanfteren Macht. Sie werden nach Ideen der Künstlerin von Frauen aus verschiedenen Gegenden und lokalen Kulturen gemeinsam hergestellt. Die Frauen werden so vernetzt und verdienen auch etwas Geld.
Besonders interessant sind die Werke, die auf der winzigen, Sabah vorgelagerten Insel Omadal entstanden sind. Das Inselchen liegt in einer Art von maritimem Niemandsland. Seine Bewohnerinnen gehören zu Malaysia, während diejenigen des nicht mal 100 Meter entfernten, im seichten Meer auf Pfählen gebauten Fischerdorfs staatenlos sind! (Das Gebiet ist allerdings so abgelegen, dass auch die Staatlichkeit nur in sehr verdünnter Form fühlbar wird. Es gibt immer noch Besitzansprüche des Sultanats Sulu, ausserdem sind die muslimischen Rebellen der südlichen Philippinen nicht weit weg und sporadisch machen auch Seeräuber von sich reden.) Eine Aktion der Künstlerin Lee und ihrer Frauen bestand darin, mit einem farbigen, 62 Meter langen geflochtenen Band die Insel Omadal und ihre Leute mit denen des Fischerdorfs zu verbinden.
Yee I-Lann besticht damit, wie sie Gedanken zu sprechenden Bildern verdichtet. (Manchmal wird das Netz der Symbolik allerdings fast zu dicht.) Frappant ist ihr Sinn für räumliche Spannung und Aufteilung, insbesondere bei den fast grafisch wirkenden Foto-Arbeiten. Und besonders eindrücklich ist natürlich ihre Fähigkeit, Mitarbeiterinnen zu motivieren und sie in den kreativen Prozess einzubinden.
Die Ausstellung "Mansau-ansau" von Yee I-Lann ist im Kunstmuseum Thun noch bis zum 30.11.25 zu sehen.



Introducing Michael Leunig (1945-2024), Australian cartoonist, poet and artist.

